Points of Entry
from 2017/06/30 until 2017/07/22
Abbildung:
Alex Paik, Improvisation #2 for Hexagon (Klint), 2017, Gouache, Buntstift, Papier, 5 x 3.4 x 0.5 cm (detail)
Points of Entry
Vincent Como, William Crump, Rachael Gorchov, Jackie Hoving, Alex Paik, Norm Paris, Matt Phillips, Andrew Prayzner, Naomi Reis, Sun You
Ausstellung 01.07. bis 22.07.2017
Eröffnung am 30. Juni 2017, 19 Uhr
English:
Points of Entry
Vincent Como, William Crump, Rachael Gorchov, Jackie Hoving, Alex Paik, Norm Paris, Matt Phillips, Andrew Prayzner, Naomi Reis, Sun You
Duration: : 01 July – 22 July 2017
Opening: 30 June 2017, 7 pm
(English version below)
SCOTTY zeigt Points of Entry, eine Ausstellung mit Arbeiten von Mitgliedern von Tiger Strikes Asteroid New York (TSA NY), einem von KünstlerInnen organisierten Projektraum in Brooklyn, New York.
Mit Points of Entry handelt es sich um den zweiten Teil eines Austauschsprojekts zwischen dem Berliner und dem New Yorker Projektraum. Der erste Teil, Dissolution, mit Arbeiten von SCOTTY-Künstlerinnen, fand im Oktober 2016 bei TSA NY im Rahmen eines international organisierten Galerienrundgangs im New Yorker Stadtteil Bushwick statt (Exchange Rates Art Expo).
Die englische Formulierung “point of entry” wird allgemeinhin als Synonym für Grenzübergang bzw. für den Ort verwendet, an dem Güter und Menschen eine Landesgrenze passieren. Die Formulierung wird aber auch verwendet, um zu beschreiben, wie ein Betrachter sich in ein Kunstwerk einfühlen kann. Sie bezeichnet den Moment, in dem der Betrachter Zugang zur Geisteshaltung eines Werks findet und es ihm damit möglich wird, sich mit diesem zu verbinden.
Points of Entry bezieht sich auf beide Bedeutungen des Begriffs. Sowohl die Grenze als Ort als auch der Grenzübertritt sind durch ein Protokoll von Formalitäten definiert, wie wir es beispielweise von Grenzkontrollpunkten oder Abfertigungsbereichen auf Flughäfen kennen. Grenzübergänge können jedoch auch, zum Beispiel auf kleinen Landstraßen oder im Gebirge, weitaus unbestimmter und weniger stark reglementiert sein. Derlei Erfahrungen können Ähnlichkeit zu der Auseinandersetzung mit Kunst haben. Während ein Kunstwerk eine eindeutige Aussage macht oder Kritik äußert, kann ein anderes sich auf ein Sammelsurium scheinbar unzusammenhängender Referenzen beziehen, das dem Betrachter Rätsel aufgibt. Mit jedem Werk wird der Begriff neu definiert und unterminiert jedwede bestehende Erwartung.
Mit der Trennung Großbritanniens von der Europäischen Union, aber auch durch die Kampagnen reaktionärer Populisten wie Le Pen und Wilders, die die Schließung von Grenzen fordern sowie den bisher gescheiterten Versuchen der Trump-Administration, bestimmten Nationalitäten die Einreise in die USA zu verbieten, werden derzeit sowohl in Europa als auch in den USA Grenzen wieder neu verhandelt. Wer, wie oder was gefiltert wird, ist so bedeutsam wie die Tatsache, ob man sich innerhalb oder außerhalb einer bestimmten Landesgrenze befindet.
Points of Entry zeigt Arbeiten, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Grenze und deren Bruchstellen auseinandersetzt.
In der Serie Army of Darkness (Armee der Finsternis) von Vincent Como wirken die kleinen Arbeiten in ihrer Wiederholung wie eine Front uniformierter Soldaten oder Wachposten. Die Entlehnung des Titels, aber auch die Verwendung einfacher Materialien wie Karton, Klebeband und Tinte ist eine Hommage des Künstlers an den lo-fi Camp-Style diverser Kultfilme. Indem die Arbeiten uns wie Malerei erscheinen, sind sie uns in ihrem Wesen zugleich vertraut und fremd.
William Crump bezieht sich in seiner Arbeit auf kunstgeschichtliche Einflüsse, die für ihn auch persönlich relevant sind, in diesem Fall auf Joan Miro. Seit Jahren verwendet Crump, der oft auch unterschiedliche Ideen und Medien miteinander verknüpft, die Namen von Künstlern als ersten Bezugspunkt. So wird auch Miro in dieser Arbeit nicht direkt zitiert, sondern als Behelfsmittel verwendet, um künstlerische Fragen zu stellen.
Rachael Gorchovs Fotografien zeigen Umgebungen, die durch die Kombination von farbigem Licht, Malerei und Zeichnung sowie Modelliermasse produziert worden sind. In diesen vielschichtigen und düsteren Räumen verschiebt sich die evozierte Bildtiefe in vielfacher Hinsicht. Gorchov hat für ihre Zeichnungen Bilder europäischer Synagogen ausgegraben, um sich der ihr unbekannten und zugleich persönlich bedeutsamen Bildsprache anzunähern. Mit dem Rundbild verbindet sie ihr künstlerisches und kulturhistorisches Erbe.
In Jackie Hovings Zeichnungen hingegen trifft man auf herumwirbelnde Markierungen und ausradierte Ecken. Diese atmosphärischen Abstraktionen werden buchstäblich zur Grenzlinie zwischen Betrachter und Objekt: Das Porträt eines Individuums scheint entweder verdeckt oder ausgelöscht zu sein – um unseren Blick am Ende doch geisterhaft zu erwidern.
Alex Paik entwickelt zu Beginn seiner Arbeiten eine Form, die er dann vervielfältigt und in unterschiedlichen Konfigurationen neu zusammenstellt. Paik, der eine Ausbildung in klassischer Musik hat, nähert sich seinen Kunstwerken auf die gleiche Weise mit der er sich auch einem Musikstück nähern würde: Einheiten schichten sich auf und geben Raum für die Entstehung von Assoziationsketten; ahmen schließlich nach, wie auch das Thema einer Fuge transponiert, umgekehrt und mit sich selbst verschränkt wird.
Mit Erased Cards zeigt Norm Paris Sport-Sammelbilder – vergangene, massenproduzierte Objekte, made in USA, bei denen die im Mittelpunkt stehende Figur bearbeitet wurde. Die Unterteilungen in berühmte und weniger bekannte Athleten verschwinden. Der Sammlerwert der Bilder wird dadurch vereinheitlicht, heroische Persönlichkeiten werden gewöhnlich.
Matt Phillips Malereien beginnen mit einem Raster, das – nachdem die Werke über lange Zeitspannen bearbeitet und mit vielen Schichten versehen wurden – auseinander bricht: Geometrische Elemente werden voller Schadenfreude umterminiert und Spontaneität, Rebellion, Trotz und Humor bilden die einzig treibende Kraft.
Andrew Prayzner untersucht in seiner neuen Malerei-Serie die polemischen Kommentare, Parolen und Slogans, die in Form von Auto-Aufklebern in der Halböffentlichkeit oder in den sozialen Netzwerken verkündet werden. Die politischen Diskurse haben sich in den USA mittlerweile so polarisiert, dass eine Ansicht über ein Thema oft als Synonym für ein ganzes Weltbild interpretiert wird. So werden beispielsweise die Befürworter von Black Lives Matter automatisch auch als polizeifeindlich eingestuft. Der Verlust sachlich geführter Diskussionen und facettenreicher Sichtweisen als auch die Dämonisierung derer, die eine andere Weltanschauung haben, haben populistische Tendenzen derart verstärkt, dass die Aushöhlung demokratischer Prozesse vorstellbar wird.
Destabilized Landscape (tether) von Naomi Reis wurde mit einer Kamera gefilmt, die an Heliumballons befestigt über die Ödnis erkalteter Lavafelder flog. Während die Ballons mit einer Schnur an Boden befestigt waren und somit physisch mit der Erde verbunden blieben, wird die Kameraeinstellung und –perspektive ganz und gar von einem anderen Element bestimmt, dem unsichtbaren und doch sehr energisch-energetischen Wind.
Sun You bringt unterschiedliche Alltagsmaterialien wie Modelliermasse, Kostümschmuck und filigrane Holzarbeiten zusammen, um farbenprächtige, abstrakte Muster zu entwerfen, die, an der Schwelle zwischen Kunst und Kunsthandwerk, Farbe, Ornament und Geste zelebrieren. Für ihre neuen Bodeninstallationen arrangiert sie Polymerknete in losen Formationen. Diese erinnern an Ausstellungsstücke im Einzelhandel oder Festtafeln und lassen die Grenzen zwischen Kunst und Konsum mit der Funktionalität von Objekten verschmelzen.
English version:
SCOTTY presents Points of Entry, an exhibition featuring works by members of Tiger Strikes Asteroid New York (TSA NY), an artist-run gallery in Bushwick, Brooklyn.
This is the second part of a two-part exchange between SCOTTY and TSA NY. The first, Dissolution, occurred at TSA’s Brooklyn space as part of Exchange Rates Art Expo in October 2016 and featured works by members of SCOTTY.
The phrase “point of entry” often refers to breaks along a national border through which goods and people may cross. It can also describe a how an artwork is relatable to a viewer, allowing them entrance to the logic of a piece and a way to connect to it. This exhibition uses the term for both references with a dualist intention.
A point of entry may be clearly defined, such as a checkpoint or an airport screening area, with a requisite set of formalities one undergoes; or it may be vague and less organized, as those on small country roads. The experience can be similar when engaging an artwork. One piece may have a clear premise or critique while a neighboring piece presents an entire set of abstruse signifiers that baffles the viewer. A set of expectations can be undermined as the terms shift and change from station to station.
With Britain and the European Union divorcing in Brexit, reactionary populists like the Le Pen and Wilders campaigns to close borders, and the twice-blocked travel ban in the United States under the Trump administration, points of entries in Europe and the US are in a state of flux. Who, how and what they filter is changing, as is as their significance for those within and outside the border. Points of Entry presents works that deal with borders and breaks using a range of approaches.
In Vincent Como’s „Army of Darkness“ series the repetition of small works cause them to act as soldiers, or sentries, creating a uniform and unified front. Their modesty of materials (cardboard, tape, ink) becomes an homage to the lo-fi camp of cult films like their namesake, while entering an uncanny valley with regard to their accessibility as „paintings“; becoming both familiar and not, friend and foe.
Bill Crump’s recent work pays homage to personally relevant art historical influences, in this case Joan Miro, by using their names as a point of entry to merge disparate ideas and media he has worked with over the years. Rather than referencing Miro’s work, he is using his name as a formal device on which to hang artistic concerns.
Rachael Gorchov’s photographs present mixed media environments of colored light, paintings on paper, drawings, and modeling clay. In these these layered and moody spaces pictorial depth shifts ambiguously. Gorchov has mined images of European synagogues for the drawings as a means of understanding a personally relevant visually language to which she’s largely ignorant. The tondo format, a western art historical trope merges her artist and cultural historical heritages.
One enters Jackie Hoving’s drawings through swirling marks and erased edges. These atmospheric abstractions become boundaries between viewer and subject, literally masking and erasing a portrait of an individual. By visually navigating through this image-fog, viewers may perceive a spectral subject returning their gaze.
Alex Paik begins his works with a single unit that is then repeated in different configurations to generate a cohesive piece. Having a background as a classical musician, Paik approaches and develops his visual works as he might a piece of music: units layer and form additional compound shapes, mimicking how a fugue’s subject is transposed, inverted, and folded into itself.
Norm Paris’s Erased Cards present sports trading cards – bygone, mass-produced, American objects, where the figure has been redacted. Divisions between athletes – famous and middling disappear. The collectability value of the cards are equalized. Heroic presences become ordinary.
Matt Phillips’s paintings begin with a grid, but after having been completed over long periods of time and through successive layers, the geography of the initial grid always breaks at some point. Geometric elements are gleefully undermined. Spontaneity, revolt, defiance, and humor become the only way forward.
Andrew Prayzner’s recent series of paintings explore the polemical language of sloganeering in the quasi-public realms of car bumper stickers and social media. Political discussion has become so polarized that it is now believed that if one holds a position that it is assumed that the person represents a whole set of particular values. For example, if one supports Black Lives Matter, it is automatically assumed that the person is anti-police. The loss of sober discussion, of nuanced perspectives, and the demonizing of those who do not share their own worldview, has contributed to a rise in populist outrage that has the potential to undermine the democratic process.
Destabilized Landscape (tether) by Naomi Reis was filmed via a camera attached to helium balloons and flown over barren lava fields. Released from human control, the p.o.v. becomes that of the wind, anchored by a line of string reaching toward the ground as the landscape spins around it. The string connects the earthbound physical world, the world of atoms and molecules, with the world of energy and everything else–unseeable and unknowable but no less real.
Sun You gathers a mix of commonplace craft materials such as clay, costume jewelry and filigreed wood to create colorful abstract designs that hover between fine art and craft in a celebration of color, ornament and gesture. Her recent floor installations arrange polymer clay in loose groupings reminiscent of retail displays or banquet tables, blurring boundaries between art, domesticity, consumability, and the function of objects.
Image credits: Installation views (c) Rachael Gorchov
Works by Rachael Gorchov, Alex Paik, Andrew Prayzner, Norm Paris, Sun You, William Crump, Matt Phillips, Jackie Hoving, Vincent Como, Naomi Reis