The Antimatter Factory
from 2015/04/11 until 2015/05/09
The Antimatter Factory
(english version below)
“Es menschelt im Weltall ebenso sehr wie auf der Erde. Egal in welchen Raum sich der Mensch begibt, er nimmt sich immer selber mit und zuerst einmal wird ihm von der Fliegerei im Weltall nur schlecht.” Stanislaw Lem
“To present in fiction form new ideas too difficult or too vague as yet to be presented as scientific fact. And ideas that are not scientific fact, never will be, but that are fascinating conjectures […] We are capable of seeing alternate viewpoints as coequal with our own.” Philip K. Dick
Antimaterie ist schon lange berühmt als der Brennstoff, der das Raumschiff Enterprise durch die Weiten des Universums in STAR TREK antreibt. Doch auch die NASA experimentiert an einer durch ‘reale’ Antimaterie angetriebenen Rakete für die Reise zum Mars. Fiktion wird (möglicherweise) zu Realität.
The Antimatter Factory bringt die Arbeiten von drei visuellen Künstlerinnen und einer Autorin zusammen, deren Werke, wie die Anwendungsformen der Antimaterie, irgendwo zwischen Realität und Fiktion angesiedelt sind, auf einem Gebiet, auf dem ernsthafte wissenschaftliche Recherche mit Humor und Imagination zusammentrifft. Die Künstlerinnen verbinden Recherchematerial aus einer Vielfalt von Quellen in ihrer Arbeit, um unsere Sicht auf die Welt und unser Verständnis von Realität und Normalität zu hinterfragen. Diese Quellen reichen dabei von Trivialprosa bis hin zu hoher Literatur, von wissenschaftlichen Büchern und Artikeln bis hin zur Populärwissenschaft.
Zukunftsvisionen aus der Science Fiction haben sich häufig im nachhinein als wahrhaft visionär und erschreckend zutreffend herausgestellt. Und wenn die Details auch nicht genau stimmen, haben diese Werke dennoch oft sehr aufschlussreiche Einblicke z.B. in soziale Entwicklungen ermöglicht. Über den Umweg der Zukunft kommentieren die Künstlerinnen mit dem Genre der Science Fiction in dieser Ausstellung letztendlich die Gegenwart.
Christine Niehoffs Arbeiten basieren auf umfassenden Recherchen, wobei fiktives Material dokumentarischen und wissenschaftlichen Quellen gleichgestellt wird. Sie interessiert besonders, inwiefern kollektive Sprach- und Erzählkonventionen wie Mythen, Ideologien, Filmgenres und Fernsehformate uns bewusst und unbewusst beeinflussen und bestimmen, indem sie durch die ständige Wiederholung bestimmter Erzählmuster unsere Interpretation der Wirklichkeit prägen.
Das Thema der Science Fiction steht dabei im Zentrum ihrer Installationen und Videos. Ihr ist weniger an einer möglichst realistischen Inszenierung gelegen, als vielmehr an der Gestaltung eines bühnenhaften Geschehens. Durch die Verwendung von Alltagsmaterialien und eine ausgesprochene LowTech-Ästhetik bewegen sich ihre Arbeiten zwischen wissenschaftlicher Recherche und Science Fiction, zwischen großen Plänen und banalen Alltäglichkeiten, zwischen Heldentum und Weltraumklos.
Die Beziehung zwischen wissenschaftlichem Wissen und Momenten der empirischen Alltagserfahrung ist von zentraler Bedeutung für Inés Rebelos Arbeiten. Astronomie und Kosmologie sind schon lange die Basis ihrer Recherche, mit ihren Raum und Zeitskalen, die in scharfem Kontrast stehen zu gewöhnlichen Ereignissen, hier und jetzt. Zudem ist das Genre der Science Fiction ein weiterer Fokus ihres Interesses, ihrer Arbeit, der uns eine kritische Vision der Gegenwart vorhält, die getrieben wird von wissenschaftlichen und schnellen, technologischen Entwicklungen.
Daher ist es nicht verwunderlich, wenn man in ihren Arbeiten weit entfernten Galaxien, Nebulae und Planeten begegnet, neben Suppenschüsseln, Essensverpackungen, Uhren, Autos und Zelten, alle in der selben Lamelle. Astronomie bewegt sich hier in Richtung Astrologie. Kosmologische Ergebnisse werden zu Nonsens, absurdem und trockenem Humor, oder schlicht unglaubwürdig. Wissenschaftliche Diagramme sind der Ausgangspunkt für präzise Heimwerkertätigkeiten. Sogar das elektromagnetische Spektrum kann sich materialisieren als ein verrücktes Teleportationsgerät zu einer anderen Welt.
Rose Stevens ist eine englische Schriftstellerin, die speziell für diese Ausstellung einen kurzen Science Fiction-Text schreiben wird.
Anne Wölk faszinieren dystopische Welten und Realitätskonstruktionen aus Science-Fiction Filmen, wie “Matrix” (A.Wochowski & L.Wachowski, USA 1999) und “Dark City” (A. Proyas, USA, 1998).
Beide Kinostreifen haben das Wirklichkeitsverständnis einer ganzen Generation geprägt und zeigen die Realität als verwundbares Konstrukt. Aus der intensiven Beschäftigung mit den Begriffen Simulation und Virtualität heraus, sampelt die Künstlerin Material aus der Fantastik zurückliegender Jahrzehnte. Durch fortwährendes Schichten und in Beziehung setzen entwickelt sie einen eigenen Bildkosmos, der in einem erweiterten Sinne, als ein Spiegel eines subjektiv wahrgenommenen Zustandes der Welt, gelesen werden kann.
In Ihrem Werkprozess bezieht sich die Malerin auf Filmstills, Satelitenfotos und automatisierte, computergenerierte Bilderzeugnisse von Weltraumkameras. Bei der Darstellung des Weltalls und dem Licht der Sterne muss sie sich auf die moderne Fototechnik verlassen und kann nicht von der selbstständigen Beobachtung aus den Bildgegenstand erforschen und studieren. In diesem Sinne ist Anne Woelk fortwährend mit der Problematik von Verfremdung und Verzerrung von Realität konfrontiert. Durch das Zitieren aus verschiedenen Quellen interpretiert sie auf diese Weise die Struktur der Wahrnehmung im digitalen Zeitalter.
Hinzu tritt ein Interesse für unterschiedliche Malereisprachen und Strategien. Neben den traditionellen Maltechniken experimentiert sie mit zeitgenössischen Farbpaletten und Produkten. Besonders fasziniert sie die Wechselwirkung und der Kontrast zwischen fluoreszierenden Neonfarben und dem Tiefenlicht, wie es in der Lasurmalerei entsteht.
english version:
“Humans are humans just as much in Space as they are on Earth. No matter which space a human being enters he will always be a human being and all that flying around in space only makes us feel sick.” Stanislaw Lem
“To present in fiction form new ideas too difficult or too vague as yet to be presented as scientific fact. And ideas that are not scientific fact, never will be, but that are fascinating conjectures – in other words, possible or alternate science systems. […] We are capable of seeing alternate viewpoints as coequal with our own.” Philip K. Dick