Neues Jahresthema 2024: Habitate
Jahrestthema:
HABITATE
Ab Januar 2024
English:
Theme of the Year:
HABITATS
From January 2024
(English version below)
Was es zum Leben braucht
Habitate sind fragile Lebensräume. Sie sind Orte des Entstehens und Vergehens, der ewigen Wiederkehr der Jahreszeiten, des Erwärmens und Erkaltens, der Ankunft und des Abflugs, Orte voller Geschichten und Klang, Stille und Lärm. Sind sie vital, hat der Tod einen schöpferischen Sinn, ja stellt selbst Habitate bereit, wie ein abgestorbener Baum, der von Insekten bewohnt wird. In Habitaten gibt es Trost und Hoffnung, Heimat, vorübergehend ist die Existenz hier gesichert und pflanzt sich fort, von Generation zu Generation.
Eiszeiten, das Anthropozän, invasive Arten verändern und bedrohen unsere Lebensräume. Irgendwann kippt das System und aus nährenden, schützenden Lebensräumen wird feindliches, unbewohnbares Land, Arten sterben aus. Oder überleben wie durch ein Wunder: Zum Beispiel die 46.000 alten Mikroorganismen, die im Permafrost gefroren, nun auftauen – und weiterleben. Hoffnung für die Menschheit auf einem andere Planeten, Fuß fassen zu können? Bruno Latour zufolge verfügt auch die Natur des Planeten Erde über agierende Kräfte: Sie ist nicht nur Lebensraum, sondern selbst eine Kraft des Lebens, die ihren eigenen Raum zurückzuerobern in der Lage ist.
Über die natürlichen Lebensbedingungen hinaus richten wir uns in sozialen Habitaten aus: Pierre Bourdieu spricht hier vom Habitus: Gewohnheiten, ein Lebensstil, Wohnungen, Gegenstände, mit denen wir uns umgeben. Sie bestimmen unseren sozialen Status. Wie der Habit einer Ordensgemeinschaft, wie eine Bekleidung, die unseren bloßen, ungeschützten Körper bedeckt und ihm einen Platz in der Welt zuweist. Wer seinen Habit verliert, wird heimatlos, ausgeschlossen, muss sich einen neuen sozialen Lebensraum suchen.
Mit Blick auf die Kunst wäre zu fragen: Welches Habitat braucht die Kunst? Welcher Habitus zeichnet Künstler*innen aus. Und welch fragiles Habitat verspricht die Kunst?
Text: Anna Krewani
English version:
What it needs to live
Habitats are fragile living spaces. They are places of emergence and decay, of the eternal return of the seasons, of warming and cooling, of arrival and departure, places full of stories and sound, silence and noise. If they are vital, death has a creative meaning and even provides habitats, like a dead tree inhabited by insects. In habitats there is comfort and hope, home, existence is temporarily secured here and reproduces itself from generation to generation.
Ice ages, the Anthropocene, invasive species change and threaten our habitats. At some point, the system tips over and nourishing, protective habitats become hostile, uninhabitable land, species become extinct. Or miraculously survive: for example, the 46,000 ancient microorganisms that froze in the permafrost, are now thawing – and living on. Hope for mankind to gain a foothold on another planet? According to Bruno Latour, the nature of planet Earth also has acting forces: it is not only a habitat, but itself a force of life that is capable of reclaiming its own space.
Beyond the natural living conditions, we organize ourselves in social habitats: Pierre Bourdieu speaks here of habitus: habits, a lifestyle, homes, objects with which we surround ourselves. They determine our social status. Like the habit of a religious community, like a garment that covers our naked, unprotected body and assigns it a place in the world. Those who lose their habit become homeless, excluded and have to look for a new social habitat.
With regard to art, we should ask: What habitat does art need? What habitus characterizes artists? And what fragile habitat does art promise?
Text by Anna Krewani, translated by deepl