Kontemplative Räume

„Holding My Breath“, 2020, ⓒ Timo Kahlen/VG Bild-Kunst

Kontemplative Räume
Timo Kahlen, Klaus Kühn, Kiki Gebauer
Ausstellung: 26.06.21 – 07.08.2021   

English:

Kontemplative Räume (contemplative spaces)
Timo Kahlen, Klaus Kühn, Kiki Gebauer

Exhibition: June 26, 2021 – August 07, 2021

(English version below)

Timo Kahlen, Klaus Kühn und Kiki Gebauer widmen sich in ihren Arbeiten dem Thema der Reflexion.
In ‚Holding My Breath‘ von Timo Kahlen wird eine fragile, vergängliche, schillernde Seifenblase zu einem intimen Raum, der – in Zeiten der Pandemie – den Atem des Künstlers umfasst und bewahrt, bis die Blase zerplatzt. Das musikalische Werk „For Morton“ von Klaus Kühn besteht im Wesentlichen aus algorithmisch generierten, variablen Abfolgen von Tongruppen, gespielt von der Flöte, die sich unmerklich verdichten und von einer live gesteuerten Elektronik zu im Raum beweglichen Klängen reflektiert werden.
Von Kiki Gebauer als ‚Trapez‘ benannte polygonale weiße Tafeln schweben hoch oben im Raum. Ihre farbigen Rückseiten reflektieren an Decke und Wänden des Ausstellungsraumes: fein verlaufende Farbnuancen, die sich je nach Lichteinfall ständig verändern.
Durch die Reduktion und Klarheit der Ausstellungsbeiträge entsteht ein Raum aus gedanklichen Bezügen, aus Farb- und Ton-Klängen, der von den Besucher*innen kontemplativ erkundet werden will. Liegestühle laden hierzu ein. Ein Sehnsuchtsort in einer unruhigen Zeit.

Der Klangbildhauer und Medienkünstler Timo Kahlen (*1966) arbeitet mit Wind und Dampf, mit Licht und Schatten, mit Pixeln und Staub, mit Geräusch, Klang und Vibration. Seine oft ephemeren, überraschenden, sinnlichen Arbeiten an der Grenze des Wahrnehmbaren sowie die ortsspezifischen, zeit- und raumbezogenen Interventionen und Installationen im öffentlichen Raum sind seit Ende der 1980er Jahre in mehr als 200 Ausstellungen zeitgenössischer Medienkunst präsentiert worden, unter anderem in der Einzelausstellung „Timo Kahlen: Arbeiten mit Wind“ zur Gründung der Kunst-Werke Berlin (1991), auf der MANIFESTA 7 (2008), am ZKM (2012) und in der Ruine der Künste Berlin (2020). Kahlen ist Meisterschüler der Hochschule der Künste Berlin. Er lebt, lehrt, forscht und arbeitet in Berlin. Siehe http://www.timo-kahlen.de

Klaus Kühn: Der musikalische Beitrag zur Ausstellung trägt den Titel „For Morton“ (2021) und ist Morton Feldman gewidmet. Feldman (1926 – 1987) war US-amerikanischer Komponist und beschäftigte sich mit scheinbar trivialen Repetitionen funktionsfreier Klänge. Während sich im Inneren zahlreicher Stücke von ihm subtilste Änderungen vollzogen, blieb die äußere Struktur über lange Strecken fast gleich – mit Dauern von bis zu 4 Stunden. Das Stück „For Morton“ ist ähnlich angelegt, es verlagert allerdings innere Entwicklungen nach außen. So besteht es im Wesentlichen aus einer sich stets verändernden Abfolge weniger Töne der Flöte, die vom Synthesizer wie an einer beweglichen Wasseroberfläche reflektiert werden. Im äußeren Verlauf vollziehen sich dann jedoch äußerst langsame und daher wenig wahrnehmbare Veränderungen im Tempo, der Lautstärke und der Klangintensität.
Klaus Kühn ist Musiker als Schlagzeuger, Keyboarder und Akkordeonist. Während sein Interesse lange Zeit dem Modernen Jazz / Free Jazz galt, gibt es seit einigen Jahren eine durch verschiedene Auftragskompositionen geprägte Beschäftigung mit Neuer Musik. Das besondere Interesse liegt hierbei auf den Möglichkeiten eines interaktiven Zusammenwirkens eines traditionellen Orchesterinstrumentes mit einer Live- Elektronik, die mithilfe der grafischen Musikelektroniksoftware Max selbst programmiert wird. In diesem und auch anderen Bereichen entwickelte dazu sich eine langjährige Zusammenarbeit mit der Flötistin Elisabeth Bingel, die hier den Instrumentalpart übernimmt.

Das Hauptaugenmerk legt Kiki Gebauer auf das Zusammenspiel von Licht, Farbe und Oberfläche. Ihre farbigen Konstellationen sind klar, reduziert und doch immer wieder überraschend. Sie setzen sich zusammen aus unterschiedlich großen Farbfeldern, Wandtafeln oder anderen streng geometrisch entwickelten Modulen. Immer ist die Farbe fast ohne Duktus, um ihr als Materie und farbiges Substrat größtmögliche Wirkkraft zu verleihen. Gleich einer dichten Membran oder einem Spiegel saugt die Bildfläche Licht oder wirft dieses zurück: in den Raum, gegen die Wand und immer auch in Richtung weiterer farbiger Ereignisse. So entwickeln sich durch die Reflexion völlig neue Farben, eine Mischung aus gemalter und reflektierter Farbe. Ergebnis ist eine immaterielle Farbe, die sich je nach Lichteinfall ständig verändert.
Mit ihren Arbeiten agiert sie sowohl im Öffentlichen Raum (z.B. an der Spree, in Edinburg oder Potsdam) als auch kleinformatiger im Innenbereich. Ihre Werke werden in zahlreichen Ausstellung im In- und Ausland gezeigt. Der nächste Ort ist die diesjährige Biennale LAND(SCHAFFT)KUNST VIII in Neuwerder. www.kiki-gebauer.de

English version:

Contemplative Spaces

Timo Kahlen, Klaus Kühn and Kiki Gebauer dedicate their works to the theme of reflection.
In ‚Holding My Breath‘ by Timo Kahlen, a fragile, transient, iridescent soap bubble becomes an intimate space that – in times of pandemic – embraces and preserves the artist’s breath until the bubble bursts. The musical work „For Morton“ by Klaus Kühn essentially consists of algorithmically generated, variable sequences of sound groups, played by the flute, which imperceptibly condense and are reflected by live-controlled electronics to form sounds that move in space.
Named ‚trapeze‘ by Kiki Gebauer, polygonal white panels float high up in space. Their coloured backs reflect on the ceiling and walls of the exhibition space: finely gradient colour nuances that constantly change depending on the incidence of light.

The reduction and clarity of the exhibition contributions create a space of mental references, of colour and sound, which visitors are invited to explore contemplatively. Deck chairs invite them to do so. A place of longing in a restless time.

Sound sculptor and media artist Timo Kahlen (*1966) chooses to work with the ephemeral: with wind and steam, with light and shade, with pixels and dust, with sound, noise and vibration. His surprising, sensual works exploring the limits of what is tangible and perceptible, as well as his site-specific, time- and space-related interventions and installations in public space, have been presentedin more than 200 exhibitions of contemporary media art since the 1980s: including the inaugural solo exhibition at Kunst-Werke Berlin (1991), at MANIFESTA 7 (2008), the ZKM (2012) and the Ruine der Künste Berlin (2020). See www.timo-kahlen.de

Klaus Kühn: The musical contribution to the exhibition is entitled „For Morton“ (2021) and is dedicated to Morton Feldman. Feldman (1926 – 1987) was an American composer who was concerned with seemingly trivial repetitions of functionless sounds. While subtle changes took place inside many of his pieces, the outer structure remained almost the same for long stretches – with durations of up to 4 hours. The piece „For Morton“ has a similar structure, but it shifts inner developments to the outside. It essentially consists of a constantly changing sequence of a few notes from the flute, which are reflected by the synthesiser as if on a moving water surface. In the outer course, however, extremely slow and therefore hardly perceptible changes in tempo, volume and sound intensity take place.
Klaus Kühn is an active musician as a drummer, keyboardist and accordionist. For a long time he was interested in modern jazz / free jazz, but for some years now he has been working with new music through various commissioned compositions. The special interest here lies in the possibilities of an interactive interaction of a traditional orchestral instrument with live electronics, which is programmed with the help of the graphic music electronics software Max itself. In this and other areas, a long-standing collaboration developed with the flautist Elisabeth Bingel, who takes on the instrumental part here.

Kiki Gebauer focuses on the interplay of light, colour and surface. Her colour constellations are clear, reduced and yet always surprising. They are composed of differently sized colour fields, wall panels or other strictly geometrically developed modules. The colour is always almost without ductus in order to give it the greatest possible impact as matter and coloured substrate. Like a dense membrane or a mirror, the picture surface absorbs light or reflects it back: into the room, against the wall and always in the direction of other colourful events. In this way, completely new colours develop through the reflection, a mixture of painted and reflected colour. The result is an immaterial colour that constantly changes depending on the incidence of light.
She works both in public spaces (e.g. on the Spree, in Edinburg or Potsdam) and in smaller formats indoors. Her works are shown in numerous exhibitions at home and abroad. The next venue is this year’s Biennale LAND(SCHAFFT)KUNST VIII in Neuwerder. www.kiki-gebauer.de

Pressetext Kontemplative Räume dt/engl

Fotos: Kiki Gebauer