Freiheit = individuelle Entscheidung + maximale Dehnung der Laufleine

© Maria Peters, Zebra 8, Seite 11

Freiheit = individuelle Entscheidung + maximale Dehnung der Laufleine
Raumcollage von Maria Peters

Eröffnungsperformance: 25.02.2022, 19:00 Uhr
Ausstellungsdauer: 26.02. – 12.03.2022

English:

Freedom = Individual Decision + Maximum Stretch of the Running Leash
Maria Peters
Opening performance: 25.02.2022, 7 pm
Exhibition: 26.02. – 12.03.2022

English version below:

In dieser Ausstellung zeigt die Wiener Künstlerin Maria Peters eine Auswahl von Arbeiten aus ihrem Zyklus „Voodoo Raga“, der für ihr im Sommer 2021 publiziertes und gleichnamiges Künstlerinnen-Buch entstand.
Peters interessiert sich für menschliche Schicksale und gesellschaftliche Strömungen. Gleich einer Ethnologin oder Soziologin sammelt sie als „teilnehmende Beobachterin“ Sujets und Geschichten auf Wanderungen, auf Reisen oder beim Streunen durch die Großstadt.
Die auf Basis dieser „Naturstudien“ (Peters nennt sie Artnografien) entstehenden Arbeiten berichten von unterschiedlichen sozialen Voraussetzungen und der daraus resultierenden (notgedrungenen oder bequemen) Akzeptanz von gesellschaftlichem Glück oder Unglück.
Diesen ernsthaft-realen Beobachtungen stellt Peters Malereien in Form von wandteppichartigen Rollbildern zur Seite, auf welchen sie die gesellschaftlichen Spannungen fiktiv und ironisch ins Dystopische oder Utopische übersteigert. Auf diese Weise wirbelt die Künstlerin unser Blasendenken durcheinander, und sie absurdisiert damit in diesem Werkzyklus das längst nicht mehr nur neoliberale Dogma: „Jeder ist seines Glückes Schmied“.
Denn wie viel Entscheidungsfreiheit haben wir tatsächlich, bedenkt man die Voraussetzungen durch Geburt und damit den vorgefundenen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext, oder bedenkt man individuelle Schicksalsschläge und politische Strömungen, welche unsere „Freiheit“ beschränken. Peters nennt diese Begrenzungen Laufleine – für deren maximale Dehnung sie zwar vehement plädiert, jedoch zugleich in ihrer Eröffnungsperformance im Finale hinzufügt: „ … aber nicht zerbeißen!“.
Dem Motiv der Laufleine fügt Peters ihrer Ausstellung im Zuge ihrer Eröffnungs-Leseperformance Szenen und bildnerische Arbeiten hinzu, in denen in überspitzter Form der Narzissmus und die (von der Künstlerin als das Grundproblem schlechthin angenommene) völlige Selbstüberschätzung des Menschen im Allgemeinen thematisiert werden.
Die Künstlerin platziert so auch eine Druckgrafik mit einem Verweis auf das Internet-Stichwort „25. Juni 2021 UAP“ (=Unidentified Aerial Phenomena), welches zu einem Bericht des Pentagons und weiter zu Reportagen – wie zum Beispiel jener des TV-Kanals der New York Times – führt. Verfolgt man diese Berichte, gerät man in Zweifel, ob die Menschheit tatsächlich die intelligenteste existierende Spezies ist.
„Denn: Was ist hierhin (noch) Erzählung und was (schon) Information, …“[1] fragt Sabeth Buchmann in ihrem Essay „Marias Milieus“.
Was also, drängt sich die Frage auf, würde mit der Länge unserer Laufleine geschehen, sollte es tatsächlich diese höher entwickelten Wesen geben? Was, wenn diese plötzlich in unser Leben einzugreifen gedenken?
Würden wir als Menschheit dadurch endlich imstande sein, an einem Strang zu ziehen?
In ihrem Buch schreibt Peters: „… Wenn ihr wollen würdet (Anm.: Der Spiegel stand mächtig im Weg.), …“
Maria Peters, freischaffende Künstlerin und Autorin, diplomierte 2002 an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Renée Green, 2002 – 2017 intensive Reisetätigkeit mit Stützpunkt Innsbruck, seit 2017 lebt und arbeitet sie wieder in Wien.

Weitere Informationen unter: www.maria-peters.at

[1]      Siehe Sabeth Buchmann, Marias Milieus, in: Maria Peters: Lars hatte den Mut – oder – Voodoo Raga, Wien, 2021 (abo-verlag), S. 92 – 98, hier S. 98

 

English version:

In this exhibition, Viennese artist Maria Peters shows a selection of works from her cycle „Voodoo Raga“, which was created for her artist book of the same name, published in summer of 2021.
Peters is interested in human fates and social currents. Like an ethnologist or sociologist, she collects subjects and stories as a „participant observer“ on hikes, on trips, or while roaming the big city.
The works created on the basis of these „nature studies“ (Peters calls them Artnographies) report on different social conditions and the resulting (forced or comfortable) acceptance of social happiness or unhappiness.
Peters juxtaposes these seriously real observations with paintings in the form of tapestry-like scroll pictures, in which she fictitiously and ironically exaggerates the social tensions into the dystopian or utopian. In this way the artist swirls our thought bubble around, and in this cycle of works she thus absurdizes the dogma that has long since ceased to be merely neoliberal: „Everyone is the architect of his own fortune“.
For how much freedom of choice do we actually have, considering the preconditions by birth and thus the found social and cultural context, or considering individual strokes of fate and political currents, which limit our „freedom“. Peters calls these limitations running leashes—for the maximum stretching of which she vehemently pleads, but at the same time adds in her opening performance in the finale: „… but don’t bite it off!“.
In the course of her opening reading performance, Peters adds scenes and pictorial works to the motif of the running leash into her exhibition in which narcissism and the complete self overestimation of man in general (assumed by the artist to be the basic problem par excellence) are thematized in an exaggerated form.
The artist thus also places a wood print with a reference to the Internet keyword „June 25, 2021 UAP“ (= Unidentified Aerial Phenomena), which leads to a report by the Pentagon and further to reports—such as that of the TV channel of the New York Times. If one follows these reports, one gets into doubt whether mankind is really the most intelligent existing species.
„Because: What is here (still) narrative and what (already) information,…“[1] asks Sabeth Buchmann in her essay „Marias Milieus“.
So the question arises, what would happen to the length of our running leashes if these more highly developed beings really existed? What if they suddenly would intervene in our lives?
Would we as mankind thereby finally be capable of to pull together?
In her book Peters writes: „… If you really would want (Note: The mirror was standing mightly in the way),… „

[1]      See Sabeth Buchmann, Marias Milieus, in: Maria Peters: Lars hatte den Mut – oder – Voodoo Raga, Vienna, 2021 (abo-verlag), pp. 92 – 98, here p. 98.

Fotos: Annette Sonnewend, Oliver Möst