Thema SEHNSUCHT
Jahresthema:
SEHNSUCHT
Ab Februar 2021
English:
Theme of the Year:
SEHNSUCHT (LONGING)
From February 2021
English version below:
Die Sehnsucht ist wieder aufgeflammt und kommt heute in den verschiedensten Formen zum Ausdruck: in Naturliebe, der Flucht aus dem Alltag, Sehnsucht nach sozialen Kontakten, nach Normalität, nach der Ferne, nach einer Heimat und sogar in Verschwörungstheorien oder wieder der Idee der Rettung durch die politisch extreme Rechte.
Der Begriff der Sehnsucht als ein Bild, bei dem das scheinbare Abwesende zur individuellen aber auch kollektiven Projektionsfläche wird.
Motive wie romantische Landschaften Caspar David Friedrichs, ein Sandstrand mit Palme im Sonnenuntergang, das Idyll der Alpen oder das bürgerliche Paradies des eigenen Gartens sind für den neo-romantischen Betrachter im Laufe der Jahrhunderte zu Chiffren für Empfindungen und Sehnsuchtsorte geworden. Funktionieren sie heute auch noch unverändert?
Sehnsüchte als subjektive, schwer greifbare und dennoch kraftvolle innere Antriebskraft scheinen abseits von Rationalität, pragmatischen Kompromissen und Vernunft zu liegen. Und doch verweisen Sehnsüchte auch auf essentielle Fragen nach tragfähigen Inhalten, langfristig sich bewahrheitenden Lebensentscheidungen und integerem Handeln. Kann Sehnsucht als intuitiver Impuls für authentisches Agieren und Selbstermächtigung gesehen werden? Als etwas, dem zu lauschen sich lohnt, weil darin eine relevante Information über die einzuschlagende Richtung steckt? Wie können wir aus unseren Ursehnsüchten deren utopisches Potenzial destillieren und umsetzen? Wie weit können wir Sehnsüchten ähnlich einem Seismographen trauen und inwiefern ist es überhaupt vertretbar, dabei auf eine Art innere Natürlichkeit oder ‚Kompass‘ zu setzen?
Wir folgen in diesem Ausstellungszyklus unterschiedlichen künstlerischen, kulturellen und sozialpolitischen Facetten von SEHNSUCHT:
Wie kann der imaginäre Raum dargestellt werden? Welche Künstlermythen kursieren mit entsprechenden gesellschaftlichen Erwartungen, Selbstbildern und Lebensrealitäten? Sehnsucht als die pure, abenteuerliche Lust, die Weite der Welt für sich zu entdecken? Radikale künstlerische und gesellschaftliche Positionen, die ohne allzu große Kompromisse auskommen? Wie können wir es im Alltag schaffen, im allgegenwärtigen Kapitalismus echte Gemeinschaften zu praktizieren, solidarisch zu bleiben?
English version:
Longing is flourishing once again and expresses itself today in various forms: the love of nature, the escape from everyday life, the longing for social contacts, for normalcy, for places far away or one to call home. It even finds expression in conspiracy theories or in seeking refuge in the extreme political right.
The concept of longing as an image morphs the illusive into an individual, and at times, a collective projection.
For the neo-romantic observer, motifs such as romantic landscapes of Caspar David Friedrich, a sandy beach with palm trees in the sunset, the idyllic scenery of the Alps or the bourgeois paradise of one’s own garden have become code for sensations and places of longing through centuries. Do these images still resonate today?
Longings as subjective, elusive and yet powerful inner forces seem to emerge outside of the realm of rationality, pragmatic compromise and reason. And yet longings raise essential questions about meaning and substance, long-term self-fulfilling life choices and mindful moral action. Can longing be seen as an intuitive impulse for integrity and self-empowerment? As something worth listening to, because it contains relevant information about the direction to be followed? How can we distill and implement the utopian potential from our deepest longings? And how can we place trust in longings as we would in a seismograph, and to what extent can we justify a reliance on a kind of inner nature or compass while doing so?
In this exhibition cycle, we follow various artistic, cultural and social-political aspects of Longing – SEHNSUCHT:
How can the imaginary be made visible? Which artist mythologies are accompanied by corresponding social expectations, self-images and realities of life? Longing as the pure, adventurous desire to personally discover the vastness of the world? Radical artistic and social positions that are not overburdened by compromise? How can we live in omnipresent capitalism and practice solidarity and real community?